Erstaunliche Artenbilanz, allerdings unter großem Druck.

Das RNT Projekt Kapellenbach/ Tiroler Ache ist gestartet.

Unter Aufsicht des Präsidenten des River an Nature Trust, Prof. Peter Schröcksnadel, wurde das Projekt zur Sanierung des Fischbestandes am Kapellenbach in Kössen mit einer Bestandsaufnahme mittels Elektrobefischung gestartet. Sie soll den aktuellen Stand der Fischfauna aufzeigen und falls Defizite erkennbar sind, deren Ursachen eruieren und wenn möglich beheben.  Der Kapellenbach ist ein wichtiger Zufluss der Tiroler Ache (Großache). Er ist einer der wenigen Gewässer die von schweren Hochwasserereignissen im Raum Kössen einigermaßen verschont bleiben. So ist er bei Hochwasser in der Tiroler Ache ein wichtiges Rückzugsgewässer für Fische, ein bedeutendes Laichgewässer und Kinderstube für Bachforellen und anderen heimischen Fischarten.  

Jahrzehnte lang wies der Kapellenbach einen schönen Bestand an großen Bachforellen auf und abwandernde Jungfische sorgten für eine natürliche Rekrutierung der Großache. Das augenscheinliche Verschwinden der großen, reproduktionsfähigen Bachforellen gilt es nun zu eruieren und wenn möglich, Voraussetzungen für die Zukunft zu schaffen, die eine selbständige, ausreichende Vermehrung der Bachforelle und somit die Sicherung des Bestandes garantieren.

Wir haben den wissenschaftlichen Vorstand des River and Nature Trust, Dr. Nikolaus Medgyesy zu den ersten Eindrücken befragt:

Frage 1: Wie lief die Fischbestandserhebung ab, wie viele Menschen waren involviert?

Die Bestandsaufnahme im Kapellenbach wurde mittels Elektrobefischung durchgeführt, wobei Aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes und des engen Zeitfensters von einem Tag das uns zu Verfügung stand, zwei Befischungsteams zum Einsatz kamen. Das vierköpfige Team von Mag. Wolfgang Mark – Arge für Fisch und Gewässerökologie – und das RNT-Team unter der Leitung von Fischereimeister Nikolaus Medgyesy mit fünf Personen. Zudem waren noch zwei Personen des Servus TV, der Revierbesitzer Herr Prof. Peter Schröcksnadel und Frau Simona Höllermann anwesend, die unsere Aktivitäten fotografisch festhielt. Auch erschienen Personen des Fischerei Revierausschusses Kitzbühel, wie z.B. der Obmann Herr Helmut Pletzenauer

Auf der ca. 1250m langen Untersuchungsstrecke des Kapellenbachs wurden fünf repräsentative Probenstellen ausgesucht, die den Bach charakterisieren und nach Auswertung der Befischungsdaten eine Aussage über den Bestand und eine Interpretation eventueller Defizite zulassen. Es wurden unterschiedliche Bereiche definiert, um einen eventuellen Räuberdruck feststellen zu können: Der Verlauf im Ortsbereich, weiters Abschnitte abseits des Wohngebietes im freien Gelände, wo der Bach einen natürlichen oder begradigten Verlauf aufweist und frei zugänglich für Vögel ist, dann einigermaßen geschützte Abschnitte mit Ufervegetation wie Schilf oder Sträucher. Des Weiteren gibt es Bereiche in denen Biberbauten das Gewässer massiv verändern.  Die Länge der ausgewählten Abschnitte betrug mindestens 100m. Vor der Befischung wurde das obere Ende der Probenstrecke mit einem Netz abgesperrt und die gesamte Länge mittels Watbefischung zweimal hintereinander elektrisch abgefischt. Sämtliche gefangenen Fische wurden nach Art, Länge, Gewicht, Geschlecht, Reifegrad und Auffälligkeiten (Verletzungen) untersucht und protokolliert.  

Kleine Bachforelle mit Flossenschaden, Foto Simona Höllermann

Frage 2: Kommen wir zum Erfreulichen, nämlich der Artenbilanz: Wie sieht diese aus?

Die Artenvielfalt im Kapellenbach war äußerst erfreulich! Sie entspricht im Großen und Ganzen einem Niederungsbach in der Forellenregion Übergang zur Äschenregion mit den Leitfischarten Bachforelle, Koppe und Äsche und einigen Begleitfischarten. Folgende Fischarten wurden erfasst: Bachforelle, Äsche, Koppe, Elritze, Aitel, Flussbarsch und Aal, wobei die Aale mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Chiemsee in den Kapellenbach eingewandert sind.

Sogar Aale wurden gesichtet, Foto Simona Höllermann

Frage 3: Wie steht es um das ökologische Gleichgewicht im Bach?

Die Artenzusammensetzung in den befischten Abschnitten spiegeln die bevorzugten Lebensräume der Fische wider, die geprägt sind von den lokalen Strukturen, Wassertemperatur, Strömung, Wassertiefe, Versteck- und Einstandsmöglichkeiten, sowie der Bodenbeschaffenheit mit Schotter oder Schlamm, … Der angesiedelte Biber blockiert mit seinen Bauten die Durchgängigkeit des Gewässers. In den aufgestauten Bereichen weichen die vormals natürlich überströmten Schotterböden tiefen Stillwasserzonen mit Laub- und Schlammablagerungen, die zu  einer massiven Beeinträchtigung des vormals exzellenten Bachforellengewässers führen, in dem sich nun auch die Artenzusammensetzung ändert und die natürliche Rekrutierung der Großache mit Bachforellen Jungfischen unterbunden wird.

Frage 4: Der Fisch, um den es dem River and Natur Trust als Schwerpunkt geht, ist die Bachforelle, wie schaut da der Bestand aus?

Was die Bestandsdichte betrifft, so ist der Bachforellenbestand im Kapellenbach hoch. Es finden sich eine erstaunliche Dichte an Jungfischen in den Altersklassen 0+, 1+, 2+ und 3+. Ältere, größere Tiere, also reproduktionsfähige Fische, die normalerweise maßgeblich zum Erhalt des Bestandes beitragen, fehlen fast zur Gänze. Es wurden nur wenige Individuen im reproduktionsfähigen Alter, also in Größen ab 18cm gefangen. Dies ist ungewöhnlich und weist auf einen massiven Räuberdruck hin.

Frage 5: Sie haben auch Prädatoren feststellen können, welche gibt es und kann man schon deren Gesamteinfluss auf die Situation einschätzen?

Was die Prädatoren und den Räuberdruck auf den aktuellen Bestand im Kapellenbach betrifft, so haben wir derzeit nur indirekte Beweise, die sich auf unsere Erhebung stützen. Es wurden einige Fische, ausschließlich Bachforellen gefangen, die Verletzungen aufwiesen, die auf Vogelattacken (Kratzspuren auf beiden Seiten des Fischs) und auch Bissspuren an der Schwanzflosse eines Fischs gefunden, die auf einen Fischotter hinweisen (siehe Fotos). Am Gewässer wurden auch Reiherfedern gefunden. Der direkte Beweis an diesen Fischprädatoren müsste von der lokalen Bevölkerung, von Spaziergänger, Jäger, … durch Fotodokumentation (Handy Foto) kommen, oder mittels Wildkamera Aufzeichnungen. Vielleicht finden sich neben Federn auch Kot oder Speiballen von Graureiher am Gewässer, oder Fäkalien von Fischotter, die wiederholt an speziellen Plätzen hinterlegt werden.

Eines ist klar, Graureiher, Kormoran, … und Fischotter sind ausgezeichnete Jäger, denen kaum ein Fisch in einem kleinen Gewässer entkommt. Findet man dennoch einige Fische, die diesen Prädatoren entkommen sind, lässt sich die Höhe des entstandenen Schadens nur erahnen.

Peter Schröcksnadel am Kapellenbach, Foto Simona Höllermann

Frage 6: Was sind die nächsten Schritte, technisch und von der Analyse aus gesehen?

Der nächste Schritt ist erst mal die Dateneingabe und anschließend deren Ausarbeitung. Es werden unter Anderem Grafiken über den Populationsaufbau der Arten im Gewässer und in den einzelnen beprobten Abschnitten erstellt. Anhand der Grafik Längenhäufigkeitsverteilung einer Art (Bachforelle) und das dabei festgestellte Fehlen von bestimmten Längenklassen (Größen), lässt auf Prädatoren und in weiterer Folge auf deren bevorzugte Habitate schließen. Auch werden die genommenen Fischproben (Bachforellen) zur Untersuchung auf PKD – Proliferative Kidney Disease (Erreger Tetracapsuloides bryosalmonae) an die Veterinärmedizinische Universität Wien geschickt. Des Weiteren werden heuer noch Temperaturdatenlogger im Kapellenbach installiert, die uns die Wassertemperatur übers Jahr liefern wird, da Wassertemperaturen über 15°C in Hinblick auf PKD bei Bachforellen schwerstwiegende Folgen haben.  

Koppen und Bachforellen, Foto Simona Höllermann

Frage 7: Hat die Bevölkerung schon Anteil daran genommen, wird sie in das Projekt mit einbezogen?

Geplant ist, die Gemeinde Kössen zu bitten, einen vom RNT verfassten Brief in den Gemeindemitteilungen zu veröffentlichen, in dem die Bevölkerung, Anrainer des Kapellenbachs und der Großache, Spaziergänger, Jäger, Natur Interessierte, … gebeten werden, Sichtungen von Fischotter, Graureiher, Kormoran, Gänsesäger, mittels Handyfoto zu dokumentieren und dem RNT zuzuschicken. So können wir gemeinsam die wunderbare Natur und Artenvielfalt des Kaiserwinkls pflegen.

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